fbpx

Asperger und hochsensibel – bist du mehr als hochsensibel?

22. Sep 2022 | Mind & Soul, Sensitive Empowerment | 4 Kommentare

Bist du extrem hochsensibel und fragst dich, ob du „nur“ hochsensibel oder auch Asperger bist? Oder Asperger und hochsensibel?

Wenn sich bei dir oder einem Angehörigen ein Gefühl der Andersartigkeit durchzieht und der Leidensdruck zunimmt, dann lohnt es sich, sich näher mit dem Asperger Autismus auseinanderzusetzen! Und zwar selbst dann, wenn du denkst, sowas wie Autismus käme gar nicht in Frage. Lass es mich erklären!

In diesem Artikel bekommst du einen Überblick darüber

  • was Asperger Autismus ist und wie man ihn erkennt
  • wie Asperger Autismus mit Hochsensibilität zusammenhängt
  • inwieweit sich Asperger und hochsensibel sein voneinander unterscheiden
  • wie du gesund mit der (Verdachts-)diagnose „Asperger Autismus“ umgehen kannst.

Hier kannst du erste Anhaltspunkte finden, ob du selbst Asperger Autist (Aspie) bist oder eine Person in deinem Umfeld. Ich will dir unbedingt Mut machen und daran erinnern, dass Asperger Autisten eine große Bereicherung für uns alle sind!

Wie hängt Asperger Autismus und hochsensibel sein zusammen?

Asperger Autismus beinhaltet die Hochsensibilität gratis. Und zwar Hochsensibilität EXTREM.

Asperger Autismus hängt mit Hochsensibilität untrennbar zusammen. Hochsensible Menschen nehmen mehr Reize wahr als der Durchschnitt (hier kannst du ausführlich nachlesen, was Hochsensibilität bedeutet). Bei Asperger Autisten ist das auch so, aber in einem noch viel größeren Ausmaß. Das hat einen immensen Einfluss auf das ganze Leben. 

Die Sinne des Asperger Autisten sind meist sehr empfindlich, das Gehirn ist sehr aktiv. Die Reizüberflutung oder nervliche Überlastung ist von einem „normalen“ Schultag oder Arbeitstag massiv.  

Die Auswirkungen sind unterschiedlich und bei Frauen meist ganz anders als bei Männern. Frauen fallen nach außen oft gar nicht als Autistinnen auf, können sehr erfolgreich und funktional sein – bis irgendwann das System zusammenbricht (Burnout). Oder der Asperger Autist ist von der Reizüberflutung derartig beansprucht, dass es sogar zum Meltdown kommt (stell es dir etwas ähnliches wie einen Nervenzusammenbruch vor). Aspies mit diesem Grad der Überreizung können teils nur noch etwas aufschreiben, da selbst das Sprechen zu anstrengend ist. Es ist die TOTALE Erschöpfung. Oft brauchen sie dann stundenlangen Schlaf und Rückzug. 

Um für dich oder einen Angehörigen eine Einschätzung zu machen, ist es sehr wichtig, genau zu verstehen, was Asperger Autismus wirklich bedeutet. 

Was ist Asperger Autismus?

Asperger Autismus als besondere Daseinsform

Ich teile die Auffassung, dass Asperger Autismus eine angeborene, besondere Daseinsform ist. Eine Daseinsform, die sich im Erleben, Denken, Fühlen, Wahrnehmen und Handeln von dem des allgemeinen Durchschnitts erheblich unterscheidet. Auf gut deutsch: Aspies leben in ihrer eigenen Welt.

Nüchtern betrachtet ist Asperger Autismus im ICD 10, der international die Krankheiten klassifiziert, als eine Entwicklungsstörung eingestuft worden. Damit ist Asperger Autismus offiziell in der Tat eine Krankheit, in der Regel sogar eine seelische Behinderung. Nicht selten liegt bei Aspies auch eine Schwerbehinderung vor. 

Lass dich nicht von diesen harten Worten verschrecken! Lies unbedingt weiter, selbst wenn du denkst, dass das ganz und gar nicht passt. Ich persönlich habe mehrere Asperger Autisten in meiner Familie und in meinem Umfeld und es sind mir mit die liebsten Wesen, die ich kenne. Ich selbst finde es mehr als schwierig, sie als Behinderte zu betrachten. Schließlich sind sie allesamt sehr schlau, sogar hochbegabt, charmant (ja, wirklich!), sensibel, fantasievoll, gefühlsstark, kreativ und vor allem: liebenswert!

Na klar, es gibt diverse Ausprägungen von Asperger Autisten und ich kenne nur einen kleinen Teil. Aber ich habe ausnahmslos solche Erfahrungen mit Aspies gemacht, wenn natürlich auch jeder einzelne völlig unterschiedlich ist.

Warum gilt Asperger Autismus als Krankheit?

Als Krankheit wird grundsätzlich etwas eingestuft, was von der Norm abweicht und zu Leidensdruck führt.

Beides ist objektiv betrachtet bei den meisten Asperger Autisten der Fall. Sie sind eine Minderheit, weichen in ihrem Erleben und Verhalten erheblich von der Norm ab. Durch ihre Schwierigkeiten insbesondere im Zusammenleben mit „normalen“, sog. neurotypischen Menschen, haben sie in der Regel einen erheblichen Leidensdruck.

Wenn du immer dazu gehören wolltest, aber nie den Zugang gekriegt hast oder nie akzeptiert wurdest – und dann noch keine Erklärung dafür hast – wie sollst du dich da schon fühlen? Genau! Beschissen. In den wenigsten Fällen sind Aspies frei und glücklich groß geworden – leider.  Ein freies und glückliches Leben ist aber meist möglich, wenn Asperger sehr bewusst mit ihrem Autismus umgehen und ihre Besonderheiten für sich geklärt haben. 

Wenn du lieber ein Video schauen willst, statt zu lesen, schau dir unbedingt das spannende Interview mit Julia Koksch dazu an.

Julia ist selbst Asperger Autistin, Ehefrau eines Asperger Autisten und hat zwei Kinder, die auch das Asperger Syndrom haben. Außerdem ist sie noch unter anderem Heilpraktikerin für Psychotherapie, so dass wir es aus meiner Sicht mit einer absoluten Expertin in dem Thema zu tun haben (auch wenn sie zu bescheiden ist, um sich so zu nennen). 

Interview Julia Koksch Asperger oder Hochsensibel

 

Asperger Autismus als Entwicklungsstörung

In der ICD 10 (das Buch, in dem alle Krankheiten stehen) gibt es die sog. „Autismusspektrumsstörung“. Im Kapitel F (psychische Erkrankungen) findet sich diese Autismusspektumsstörung – und zwar unter den „Entwicklungsstörungen“. In diese Kategorie fällt auch der Asperger Autismus. Offiziell ist Asperger Autismus also eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die ein Leben lang besteht

Das Wort „Spektrum“ zeigt sehr deutlich, dass sich Autismus mit etlichen Gesichtern zeigen kann. 

Kennst du einen Autisten, kennst du EINEN Autisten.

(Julia Koksch)

Jeder Mensch ist anders. Jeder Autist ist anders als der andere, jeder Asperger Autist auch.

Asperger Autismus – die offiziellen Kriterien

Beim Asperger Autismus gibt es dennoch einige Merkmale, die überzufällig häufig auftreten, mehr oder weniger stark. Damit das Asperger Syndroms vom Arzt diagnostiziert werden kann, müssen also nach ICD 10 bestimmte Kriterien erfüllt sein. Doch Achtung – diese Kriterien wurden anhand von Asperger Jungs entwickelt! Dazu später mehr im Kapitel zu den Asperger Frauen.

Da das ein ziemlicher Fachsprech ist, gebe ich es in meinen eigenen Worten wieder: 

  • Probleme beim Kommunizieren und Interagieren mit Menschen (Menschen nicht verstehen, missverstehen, nicht deuten können…)
  • Vertiefung und Wiederholung von Spezialinteressen (ständiges, intensives beschäftigen mit bestimmten Themen und Interessen).
  • sich wiederholende, eingeschränkte Aktivitäten (z.B. Händeflattern, fächerartiges bewegen der Hände)
  • Intelligenz ist normal bis hoch (im Unterschied zum frühkindlichen Autismus, auch Inselbegabungen möglich)
  • oft auffallende Ungeschicklichkeit (tollpatschiges, umständliches Verhalten – doch Achtung, im Blick waren hier v.a. Asperger Jungs).

Weil das noch nicht so richtig greifbar ist, erkläre ich es dir nochmal anders.

Wie man Asperger Autismus einem Kind erklären könnte

Wenn du es einem Kind erklären kannst, hast du es verstanden. Beim Asperger Autismus ist es nicht ganz leicht, ihn kurz und knackig zusammenzufassen, weil er so komplex und vielfältig ist. Ich finde, folgende Worte treffen es ganz gut und sind nicht nur störungsorientiert (betonen nicht nur das Negative, was ich mega schade fände):

„Jeder Mensch ist einzigartig und wertvoll. Auf der Welt leben viele ganz unterschiedliche Menschen. Das, was die meisten Menschen ausmacht, wird „normal und gesund“ genannt, Asperger Autisten sind in vielen Sachen anders als die meisten Menschen. Asperger Autisten verstehen meist die anderen Menschen nicht gut und umgekehrt. Deshalb ist es für sie oft sehr anstrengend, mit vielen Menschen zusammen zu sein. Sie lieben es, sich ganz tief in bestimmte Themen zu vergraben und wissen dann so viel darüber wie ein Professor. Sie bewegen sich auch oft anders als andere und fühlen sich dann besonders wohl, wenn sie alles kennen und genau wissen, was passiert. Wenn etwas anders läuft als sonst, bekommen sie großen Stress. Asperger Autisten sind schlau, oft auch ganz besonders schlau. Sie nehmen Details wahr, die andere übersehen. Geräusche können für sie sehr laut sein, Lichter sehr hell, Gerüche ganz stark. Sie sind deshalb auch schnell müde und brauchen ganz viel Ruhe und Zeit, sich zu erholen. Weil sie sich damit von den meisten Menschen stark unterscheiden, gilt der Autismus allgemein als Krankheit. Viele Menschen glauben aber, dass Asperger Autisten eine eigene, besondere Lebensform unter den Menschen sind und die Probleme nur durch die vorgegebenen Regeln der anderen Menschen entstehen.“

Warum Asperger bei Frauen und Mädchen oft übersehen wird

Angeblich gibt viel mehr Männer mit Asperger Autismus als Frauen (Verhältnis 4 : 1). Außerdem soll Asperger Autismus äußerst selten sein. Die Angaben schwanken zwischen 1 von 100 oder 3 von 1000. Ich wage das stark zu bezweifeln. Die Medizin hat sich seit Tag und Jahr mehr mit Männern als mit Frauen beschäftigt. Beispielsweise ist über den weiblichen Herzinfarkt of so wenig bekannt, dass er oft gar nicht erkannt wird und die Frauen dann leider nicht rechtzeitig Hilfe bekommen. Auch die ICD 10, also die offiziellen Diagnosekriterien, orientieren sich am Wissen über Jungs bzw. Männer.Das Prinzip kannst du auf den Asperger Autismus übertragen. Die Kriterien stützen sich auf den typisch männlichen Asperger Autisten.

Das führt dazu, dass weibliche Apsies häufig unerkannt bleiben. Selbst Psychiater bzw. Psychologen kommen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, weibliche Asperger Autistinnen zu erkennen. Da braucht es die absoluten Spezialisten unter den Spezialisten, damit ein weiblicher Asperger nicht einfach durchrutscht. 

Doch wie kann das sein? Frauen sind in der Regel sozial kompetenter bzw. begabter als Männer (Ausnahmen bestätigen die Regel). Wenn sie also aufgrund des Autismus´ dann Probleme im sozialen Miteinander haben, sind sie oft immer noch weit fähiger als der durchschnittliche Aspie Mann. Frauen sind im Durchschnitt anpassungsfähiger als Männer. Sie sind also besonders gut darin, sich Sachen anzueignen, die sie „normaler“ erscheinen lassen. Zum Beispiel lernen sie sehr schnell: Wenn jemand mich anlächelt, erwartet er von mir, dass ich zurück lächle. So tun sie es zwar nicht intuitiv wie der Durchschnittsmensch, aber sie lernen blitzschnell, andere zu spiegeln.

Schließlich tendieren Mädchen bei Problemen in der Regel dazu, sich zurückzuziehen während Jungen eher auffällig werden (durch aggressives Verhalten oder laute Gefühlsausbrüche). 

So fällt es oft gar nicht besonders auf, das das liebe, unauffällige, ruhige Mädchen am Range der Gruppe tatsächlich Asperger Autistin ist. 

Hier kannst du eine kleine Doku über Asperger bei Frauen sehen. 

Empathie spricht nicht gegen, sondern für Asperger Autismus

In sämtlicher Fachliteratur zum Thema Autismus findet man den Hinweis, dass Autisten keine Empathie empfinden könnten. Ich finde das gelinde gesagt befremdlich, weil alle Asperger Autisten, die ich kenne, äußerst empathisch sind. Sie benötigen zum Teil nur eine Art Brücke, eine Verständnishilfe, was mit dem anderen Menschen gerade los ist, da sie es teilweise nicht intuitiv erfassen können. Wenn sie es dann aber verstanden haben, sind sie ganz besonders mitfühlend. 

Ich kann es mir nur so erklären, dass die Damen und Herren aus der Fachwelt das äußerlich wahrnehmbare Verhalten fehlinterpretiert haben. Oder die nicht vorhandene Reaktion. Weil Aspies oft nicht die Mimik oder den Kontext intuitiv erfassen, zeigen sie eben nicht automatisch Mitgefühl nach außen. Doch das heißt ja nicht, dass sie per se nicht mitfühlen. 

Von vielen Autisten habe ich auch gehört, dass sie so stark mitfühlen, dass sie wie versteinern, da sie sonst von ihren Gefühlen überwältigt würden. Dieser Selbstschutz sieht von außen dann wie unbeteiligt sein aus, obwohl innen ein Sturm tobt. 

Insofern kann ich mich darauf einlassen, dass Aspies häufig nicht intuitiv die Gefühlslage des anderen verstehen. Dass sie per se nicht empathisch sind, halte ich für einen Missverständnis. 

Asperger Autismus: die wichtigsten Anzeichen 

Die folgenden Anzeichen müssen nicht alle zutreffen. Es heißt nicht umsonst „Spektrum“. Wenn du aber überwiegend viele Aussagen mit einem ganz energischen „jaaaaaa!“ bestätigen kannst, spricht das schon sehr dafür, dass du vom Asperger Syndrom betroffen bist.

  • du hast dich schon dein ganzes Leben lang sehr anders gefühlt
  • du hast ausgeprägte Spezialinteressen (bei Mädchen und Frauen können dies auch ganz typische Themen sein wie eine Pferdeserie im Fernsehen – nur die Intensität des Interesses ist eine andere als bei anderen)
  • du verstehst nicht, wie sich andere nicht so stark für deine Lieblingsthemen begeistern können
  • du hast immer wieder das Gefühl, dass du nicht dazu gehörst, obwohl du es gern möchtest
  • soziale Situationen stressen dich sehr, da du nicht weißt, wie du dich richtig verhalten sollst
  • Gespräche sind sehr anstrengend für dich
  • du hast wenig Freunde, obwohl du wirklich gerne mehr hättest 
  • du fühlst dich mit Menschen „nicht sicher“ und weißt nicht, was du tun sollst / was erwartet wird
  • ein für andere ganz normaler Alltag (Schule / Beruf …) erschöpft dich sehr 
  • wenn du sehr erschöpft bist, kannst du manchmal noch nicht mal mehr reden und musst nur schlafen
  • andere Menschen bleiben dir im Großen und Ganzen ein Rätsel
  • du nimmst Dinge wörtlich (verstehst Sprichwörter wie „Haare auf den Zähnen haben“ nicht, da es doch keine Zähne mit Haaren gibt)
  • bei Stress oder Anspannung machst du mit deinen Händen flatternde/ auffächernde Bewegungen oder nestelst mit den Händen 
  • du hast bereits Mobbing Erfahrungen machen müssen
  • Veränderungen in deiner Routine stressen dich sehr stark
  • du hast nie oder erst sehr spät bemerkt, wenn dich jemand angeflirtet hat
  • einer deiner Elternteile (oder beide) haben (oder hatten) dieselben Wesenszüge und Probleme wie du.
  • du hast Schwierigkeiten, Gesichter zu erkennen / Mimik zu deuten
  • du bist sehr wählerisch beim Essen (bestimmte Konsistenzen oder Nahrungsmittel kannst du nicht ertragen)
  • du kannst nicht nein sagen, Menschen können dich stark beeinflussen
  • du hast in einzelnen Bereichen große Begabung bzw. Fähigkeiten (Inselbegabung)
  • du brauchst viel Zeit für dich allein oder im Kreis deiner engsten Vertrauten, bei denen du dich sicher fühlst

Asperger Autisten laufen mit einem anderen Betriebssystem als neurotypische („normale“) Menschen. 

(Julia Koksch)

Asperger und / oder hochsensibel – wie kann ich das voneinander abgrenzen?

Du hast schon gelernt: Ein Aspie ist in aller Regel auch hochsensibel. Umgekehrt ist natürlich nicht jeder Hochsensible Aspie!

Doch wie unterscheidet sich die reine Hochsensibilität vom Asperger Syndrom?

Hochsensibilität im Vergleich zum Asperger Syndrom

Hochsensibilität ist ingesamt eine Reizoffenheit, die regelmäßig nicht derartig stark ist wie bei Aspergern.  Außerdem fehlen bei der Hochsensibilität die weiteren Kriterien, die eine Asperger Autismus Diagnose erfordern.

Insbesondere die Schwierigkeiten in der Kommunikation und sozialen Interaktion fehlen. Im Gegenteil: Hochsensible sind meist äußerst begabt im sozialen Kontext. Es ist für sie ein Leichtes, ihre Mitmenschen zu lesen und zu deuten. 

Auch die Spezialinteressen fehlen in der starken Intensität, wie sie bei Aspergern vorliegen. Hochsensible sind zwar oft vielinteressiert oder vielbegabte Persönlichkeiten (auch sog. Scanner Persönlichkeiten). Hier tauchen auch sie tief in die Themen ein. Allerdings unterscheidet sich das nochmal deutlich vom Ausmaß der Intensität, mit der sich ein Aspie in sein Thema hineinsteigern kann. Während ein hochsensibler Mensch auch noch an andere Dinge denken kann wie z.B. Frühstück machen oder einfach die Arbeit, ein anderes Hobby – hängt der Asperger Autist typischerweise so tief in seinem Thema, dass ihn fast nichts dort heraus holen könnte. Bzw. will er auch gar nicht herausgeholt werden und wundert sich, weshalb nicht jeder andere auch so leidenschaftlich in sein Thema verliebt ist.

Die Empathie liegt nach meiner Meinung bzw. Erfahrung sowohl beim Hochsensiblen wie auch beim Aspie vor. Nur ist es so, dass Hochsensible intuitiv mit anderen Mitfühlen, während ein Asperger erstmal die Situation kognitiv erfassen muss. Daher ist manchmal eine Erklärung notwendig, weshalb sich gerade jemand z.B. schlecht fühlt. Daraufhin reagieren Asperger – wie gesagt nach meinen Erfahrungen – auch äußerst empathisch. Der Unterschied ist oft nur dieser Moment, diese Erklärung, die er vielleicht noch benötigt. 

Sowohl Hochsensible wie auch Asperger können einen hohen Leidensdruck haben. Bei Hochsensiblen ist es aber oft so, dass abgrenzbare, frühe Kindheitserfahrungen bzw. Traumata diesen Leidensdruck erzeugen. Sie haben auch ein Gefühl des Andersseins, das aber nie so ausgeprägt ist wie bei Aspergern. 
Asperger Autisten haben demgegenüber einen noch größeres Päckchen zu schleppen. Sie haben oft massive Schwierigkeiten im alltäglichen Leben, sofern sie noch nicht bewusst mit ihrem Dasein umgehen (oder aus verschiedensten Gründen umgehen können). Meist leiden sie unter Ausgrenzung und Mobbing. Dazu kommen dann diverse schlimme Lebenserfahrungen wie bei anderen auch. 

Fazit: Der Umgang mit Hochsensibilität kann eine echte Herausforderung sein. Im Vergleich zum Asperger Autisten gleicht er aber eher einem Spaziergang. 

Hier findest du noch einen interessanten Dokumentarfilm zum Thema Asperger und hochsensibel sein.

Asperger ist ein ganzes Universum mehr als hochsensibel sein. 

(Julia Nähle-Ronay)

Hochsensibel und Asperger – Test

Die Diagnostik für ein Asperger Syndrom ist unglaublich aufwendig. Beispielsweise wird ein Intelligenztest gemacht (um andere Autismusarten auszuschließen) und es werden sehr ausführliche Interviews geführt. Die Diagnostik für ein Kind umfasst bei einem gewissenhaften Psychologen fünf, sechs oder mehr ausführliche, mehrstündige Gesprächstermine und Tests.

Einen eigenen Test anzubieten, fände ich daher etwas unseriös.

Sofern aber die Anzeichen oben weit überwiegend bei dir vorliegen, empfehle ich dir diesen Online Test, der auch teilweise von Psychologen innerhalb der Diagnostik genutzt wird. Doch Achtung, unterschätze den (Energie-)Aufwand nicht, diesen Test durchzuarbeiten. Nimm dir auf jeden Fall ausreichend Zeit, es sind wirklich sehr viele tiefgreifende Fragen. 

Hochsensibel und Asperger – wie gehe ich damit um?

Hol dir Unterstützung 

Asperger Autismus ist ein Phänomen, das komplex ist und oft zu großem Leidensdruck führt. Nicht, weil der Aspie per se ein Problem hat, sondern weil in dem Moment die Probleme entstehen, in dem er mit anderen Menschen zusammentrifft. Und das lässt sich ja bei einem Menschen, der immer noch ein soziales Wesen ist und sein will, nicht vermeiden.

Ich rate klar zu professioneller Begleitung. Leider wird es sehr schwierig sein, einen Psychologen zu finden, der darauf spezialisiert ist UND auch noch Zeit für dich hat. Es gibt massiv zu wenige dieser Psychologen und im Vergleich dazu sehr viele Aspies. Es ist ja beschissenerweise schon für jeden Depressiven oder Angsterkrankten verdammt schwierig, einen Therapieplatz zu bekommen. Was ich mir noch vorstellen kann, ist, entweder einen solchen Kassentherapeuten zu erwischen, der bereit ist, sich in das Thema einzuarbeiten oder einen Therapeuten, den du bezahlen musst. Der hat weit schneller Zeit. Er sollte aber auch bereit sein, sich in das Thema einzuarbeiten.

Selbstverständlich empfehle ich grundsätzlich, zu einem absoluten Profi zu gehen, aber wenn keiner erreichbar ist, verdammt…??

Ich habe schon von sehr guten Erfahrungen mit Beratern gehört, die selbst vom Asperger Syndrom betroffen sind und nun anderen helfen, ihr Leben zu meistern. Auch Selbsthilfegruppen oder sogar Facebook Gruppen können dir enorm helfen. Denn dort bist du tatsächlich einer von vielen und somit auch mal ganz „normal“.

Bei Kindern sieht es noch etwas besser aus. Die können z.B. zur Heilpädagogik gehen, die sich häufig auch mit Autismus befassen. Gute Integrationskräfte für die Schule, die die meisten autistischen Kinder dringend brauchen, sind leider wieder sehr schwierig zu bekommen. 

Falls du ein Kind mit einer solchen Diagnose hast, empfehle ich von Herzen, nach alternativen Schulformen (Rudolf Steiner, Montessori etc.) Ausschau zu halten. In der Regelschule müssen Asperger Kinder allzu oft schwere Mobbing Erfahrungen und mangelnde Bereitschaft der Lehrer, die Behinderung zu akzeptieren, erdulden (Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel). Der allgemeine Leistungsdruck in der Regelschule gibt dann nur noch den Rest. Dann geht es los mit Bauchschmerzen, Ängsten und vielen mehr. Es bricht mir das Herz, wie viele Kinder auf die Art so derartig zugrunde gerichtet werden, dass sie schon mit jungen Jahren eine zerstörte Seele haben. 

Ein gutes Leben als Aspie 

Allgemeine Ratschläge lassen sich nur schwierig geben, zumal Ratschläge ja oft „Schläge“ sind. Ich versuche mich deshalb an konstruktiven Hypothesen und Impulsen:

  • Akzeptanz: Je mehr du dich als Asperger akzeptieren lernen kannst, umso besser wird es dir gehen!
  • Training: Wenn du mit einem Profi den Umgang mit sozialen Situationen übst, wirst du dich sicherer fühlen!
  • Anpassung des Lebensstils: Je mehr Vorhersehbarkeit und Routinen du hast, umso besser wird es dir gehen!
  • Kontakt zu anderen Aspergern: Wenn du deinesgleichen kennenlernst und einer von vielen bist, wird es dir besser gehen!
  • Finden des eigenen Lebensmodells! Wenn du ein Leben einrichtest, dass dir Freude macht, wird dir wieder gut gehen!

Asperger Autismus Diagnose: Stigma oder Chance?

Du überlegst, ob du eine Diagnostik machen sollst? Sei dir bewusst: Eine Diagnose hat immer zwei Seiten. 

Die schlechte Seite

Du hast es dann schwarz auf weiß. Fühlst dich vielleicht stigmatisiert und kannst dich so gar nicht mit dem Wort „Behinderung“ oder „Entwicklungsstörung“ anfreunden. Auch ist dir jetzt vollkommen klar, dass du manche Pläne vielleicht nie wirst umsetzen können. Und das ist erstmal richtig hart

Die gute Seite

Du bekommst Klarheit und weißt nun: Du bist nicht falsch, du bist nicht dumm, du bist vollkommen richtig. Und zwar ein Mensch mit Asperger Syndrom, ein Asperger Autist, ein Aspi. Du fühlst dich nun nicht mehr allein mit deinen Problemen, denn von dir gibt es viele.

Du verstehst nun dein Leben in einem tieferen, schlüssigen Zusammenhang. Falls du auch unter anderen Dingen wie z.B. Depressionen leidest, spielt es in der Behandlung eine große Rolle, die ursächlichen Zusammenhänge zu verstehen.  

Immer eine persönliche Entscheidung

Schlussendlich bleibt es dir überlassen, ob du die Diagnostik machen willst. Entscheidendes Kriterium ist der Leidensdruck. Je höher er ist, je schlechter es dir also geht, umso eher ergibt es Sinn, dass du Klarheit hast. Um dir auch die entscheidenden Hilfen zu holen. 

Bist du aber insgesamt im Reinen mit Dir und deinem Leben, besteht keine Veranlassung, weshalb du jetzt etwas aufrollen solltest. 

Sind Asperger Autisten die besseren Menschen?

Jeder Mensch ist wertvoll. In unserer Gesellschaft hat sich allerdings ein Ideal manifestiert, dass ich abstoßend finde. Und zwar, dass man vor allem dann erfolgreich ist und anerkannt, wenn man sich besonders asozial und abwertend verhält. Als cooles Arschloch kannst du fast alles erreichen und wirst auch noch dafür bewundert.

In dieser Zeit bin ich besonders froh, dass Hochsensible ein Gegengewicht bilden. Zumindest die Hochsensiblen mit guten Absichten und Empathie (ja, es gibt auch die weniger netten).

Asperger Autisten scheinen mir noch die Steigerung der „guten Hochsensiblen“ zu sein. Sie können grundsätzlich nicht lügen. Oder nur grottenschlecht. Sie können nicht sarkastisch sein, nicht „hinten rum“, nicht manipulativ. Sie sind ehrlich und geradeaus. Ihre große Reizoffenheit führt zu tiefem und starkem Fühlen. Sie sind sehr feinfühlig. Einfach echt. 

Ich will nicht behaupten, dass es aufgrund der neurologischen Veranlagung per se bessere und schlechtere Menschen gibt. Und doch bin ich unfassbar gern in Kontakt mit „meinen“ Asperger Autisten. Ich fühle mich in ihrer Gegenwart entspannt, sicher und vertraut. Vielleicht, weil ich nur knapp dran vorbei geschrammt bin, selbst Aspi zu sein. Oder weil ich mit einem Aspi aufgewachsen bin. Oder beides. 

Ich wünsche mir sehr, dass die Eigenschaften von Asperger Autisten mehr wertgeschätzt werden, statt dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung nur in eine Krankheitsecke gestellt werden.

Seht die Menschen hinter den komplizierten Worten und habt sie einfach lieb.

(Julia Nähle-Ronay)

Hast du etwas an Klarheit gewonnen? Schreib mir gerne einen Kommentar! Ich freu mich, von dir zu hören, und bin total gespannt auf deine Rückmeldung.

Bis dahin alles Liebe und denk dran:

Bleib anders und entdecke deine Stärke, denn die Welt hat ein Recht auf den Unterschied, den du machst.

Alles Liebe,
Dein Schöngeistrebell

Hi, ich bin Julia

Künstlerin, Rechtsanwältin und Expertin für erhöhte Neurosensitivität („Hochsensibilität“).

Als Schöngeistrebell inspiriere ich willens- und gefühlsstarke Sinnesmenschen, ihre wahre Essenz zu befreien und in die Welt zu tragen.
Erfahre mehr über mich ->

Folge mir

oder komm in die Schöngeistrebell Community und riskiere eine nachhaltige Veränderung!

© 2021 Schöngeistrebell by Julia Nähle-Ronay